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Nachdem ich Dir vorhin meinen Beitrag zur Blogtour vorgestellt habe, darf ich nun auch noch einen ganz tollen Gastbeitrag von Jeanette Lagall posten. Es geht nun um die Post Mortem Fotografie, ein Thema, das gut zu ihrem Neuen Buch Die Reise des Karneolvogels - Die Stadt der Gaukler passt. 
Hier kommst Du übrigens zu ihrer
Website.
Ich wünsche Dir nochmals viel Spaß beim Lesen. 


 


Die Viktorianer und die Toten: Post Mortem Fotografie

In der „Stadt der Gaukler“, dem zweiten Teil meiner Karneolvogel-Trilogie, habe ich es zum ersten Mal getan: Ich habe jemanden sterben lassen.

Nein, wer es ist, verrate ich natürlich nicht. Aber bei meinen Recherchen wie man im viktorianischen England angemessen getrauert hat, bin ich über ein anderes, ziemlich interessantes Thema gestolpert: Die Post Mortem Fotografie.

Zugegeben, es ist morbid, es hat mit meinem Roman, wenn man vom viktorianischen Zeitalter einmal absieht,  auch nichts weiter zu tun, aber es gehörte genau so in die damalige Zeit, wie Pferdefuhrwerke, Jack the Ripper und Teegesellschaften.


Was ist Post Mortem Fotografie?

Generell, und das hat mit den Viktorianern zunächst erst einmal nichts zu tun, bezeichnet sie das Fotografieren von kürzlich Verstorbenen. Zu früheren Zeiten war dies bei hochrangigen Persönlichkeiten nicht einmal eine Seltenheit.

Doch im späten viktorianischen Zeitalter kam auch im Privatbereich die Post Mortem Fotografie regelrecht im Mode. Hier bedeutete es, dass der verstorbenen Person ihre beste Kleidung angezogen und sie im Kreise der Familie abgelichtet wurde. Gruselig? Für uns heute ja. Doch wenn man es aus der Sicht der alten Viktorianer sieht, relativiert sich das etwas.

Während wir heutzutage dank Handy und Digitalkamera mehr Fotos schießen als wir jemals angucken können, war die Fotografie im viktorianischen England noch etwas Besonderes. Sie war, um Gegensatz zu der Malerei, zwar für mehr Leute erschwinglich, aber dennoch eine vergleichsweise kostspielige und aufwendige Angelegenheit.

Daher war es nicht verwunderlich, dass von vielen Leuten überhaupt keine Fotos existierten. Doch oftmals war gerade nach dem Tod eines geliebten Familienmitglieds der Wunsch besonders stark, ein Abbild dieser Person zu haben. Wenn also zu Lebzeiten versäumt wurde zum Fotografen zu gehen, oder aber man schlichtweg nicht daran gedacht hatte, war dies die letzte Möglichkeit, überhaupt ein Foto von dem geliebten Menschen zu bekommen. Besonders häufig waren daher auch Post Mortem Fotografien von Kindern, da die Kindersterblichkeit zu der damaligen Zeit noch besonders hoch war.

Um wenigstens einmal die Familie so fotografieren zu lassen, wie sie vorher
gewesen ist, wurde der Verstorbene möglichst lebensecht hergerichtet und im
Kreis seiner Familie positioniert. Verstorbene Kinder wurden auch oftmals
zwischen ihren Spielsachen fotografiert, gelegentlich so, also ob sie gerade
eingeschlafen wären und lediglich ein Nickerchen machen würden.


Aber es gibt auch verstorbene Personen, deren Augen auf dem Foto offen sind, bzw. offen scheinen. Nicht bei allen Toten sind die Augen automatisch völlig geschlossen. Halb geöffnete Augen können auf diesen alten Fotografien sogar noch vergleichsweise natürlich aussehen. 
Aber was machte man, wenn die Augen des Verstorbenen geschlossen waren, man aber gerne ein Bild mit offenen Augen wollte? Man griff zu Pinsel und Farbe.

 

Es gab hier zwei Möglichkeiten, das Problem mit den geschlossenen Augen
zu lösen.

Entweder malte man die Augen direkt auf die geschlossenen Lider auf, was
vergleichsweise einfach möglich war, da der damalige Stand der Technik
noch keine Fotos ermöglichte, bei denen man die feinsten Details sehen konnte.

Oder aber man retuschierte das fertige Foto später dementsprechend.

 


Nicht jedes eigentümliche Foto ist ein Post Mortem Foto

Allerdings führen auf diesen alten Fotografien oftmals gerade die Augen, die irgendwie „komisch“ sind oder auch die mitunter eigentümlich steife Haltung von Personen zu der verkehrten Annahme, dass es sich um eine Post Mortem Fotografie handelt, obwohl dem nicht so ist.

Hierzu muss man bedenken, dass die Belichtungszeiten zur damaligen Zeit sehr lang waren und die Personen damals ziemlich lange stillhalten mussten. Bei Toten kein Problem, doch  bei den Lebenden kann daher nicht unbedingt immer von „natürlicher Haltung“ gesprochen werden.

Dazu kommt, dass Fotos aus dieser Zeit allein schon durch ihre leichte Unschärfe, die Farben und die für uns ungewohnte Kleidung und Umgebung sehr fremd wirken.
 

Ferner sorgt eine in damaligen Fotostudios durchaus übliche Halteapparatur gerne dafür, dass Fotos heutzutage als Post Mortem kursieren, die tatsächlich jedoch lebendige Personen zeigen.

Bei einem derart martialisch anmutenden Gestell liegt natürlich der Schluss nahe, dass man die Toten buchstäblich darin eingespannt hat, damit man sie im Stehen fotografieren konnte. Dem war aber nicht so. Die Halterung selbst wäre nicht stabil genug gewesen, das Gewicht eines Toten zu tragen. Abgesehen davon hält auch die Leichenstarre nur eine gewisse Zeit an. Vor ihrem Eintritt und danach ist es also ohnehin unmöglich, einen Verstorbenen stehend zu fotografieren.

Die abgebildete Halterung sorgte damals dafür, dass die zu fotografierende Persone bei der langen Belichtungszeit möglichst ihre Position nicht veränderte. Die Apparatur selbst wurde dabei so gut es ging hinter der Person versteckt oder später herausretuschiert. Mitunter sieht man jedoch noch ihre Füße am Boden hervorlugen.

Daher zeigen die beiden folgenden Fotos, die gerne als Beispiele für Post Mortem Fotografie gezeigt werden, vollkommen lebendige Personen. Auch wenn die Augen des Soldaten in der Tat komisch wirken und auch der Junge ein wenig so aussieht, als wenn man ihn an der oben beschriebenen Halteapparatur aufgehängt hätte.

Wenn man genau hinschaut, kann man hinter den Füßen der Abgebildeten den Fuß der Stützapparatur sehen.

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